Kameraauswahl – Wie finde ich die richtige Kamera für mein Bildverarbeitungssystem?
Die Auswahl des richtigen Bildverarbeitungssystems kann überwältigend sein. Die Vielzahl an Kameramodellen, Technologien und Fuktionen macht die Entscheidung oft schwierig. Wir helfen Ihnen, den Überblick zu behalten und die passende Kamera für Ihre Anwendung zu finden.

Grundlagen von Bildverarbeitungssystemen
Fragen, die wir in unserem White Paper ausführlich beantworten
Warum sind Anforderungsdefinitionen wichtig?
Was muss ich über Auflösung und Sensor der Kamera wissen? Farb- oder Monochromkamera? Welche Kamerafunktionen sind wichtig?
Wie wichtig sind Maßstab und Abbildungsleistung der Kamera und welche Rolle spielt die Bildqualität?
Schritt für Schritt zur optimalen Bildverarbeitung
Starten Sie mit einer fundierten Analyse. Stellen Sie sich zwei Fragen:
Was möchte ich mit der Kamera sehen?
Welche Eigenschaften muss meine Kamera besitzen, um mir genau das zu liefern?
Die Antworten darauf geben die Richtung für die Auswahl der passenden Kamera vor.
Entscheidung Nr. 1: Flächen-, Zeilen- oder 3D-Kamera?
Die Wahl der richtigen Industriekamera oder Machine Vision Kamera hängt von Ihrer Anwendung und den spezifischen Anforderungen ab. Ob Flächen-, Zeilen- oder 3D-Kamera – jede Technologie bietet einzigartige Vorteile und ist für unterschiedliche Einsatzbereiche optimiert. Sie unterscheiden sich vor allem in der Art und Weise, wie sie Bilder aufnehmen – ein entscheidender Faktor für Ihre Bildverarbeitungsanwendung.

Flächenkameras
Flächenkameras sind mit einem rechteckigen Sensor ausgestattet, bestehend aus zahlreichen Zeilen von Pixeln, die alle zur exakt gleichen Zeit belichtet werden. Alle Bilddaten werden also gleichzeitig aufgenommen, und ebenso gleichzeitig weiter verarbeitet.
Flächenkameras kommen typischerweise in einer Vielzahl von industriellen Anwendungen, in Medizin und Biowissenschaften, im Verkehrs- und Transportwesen, oder in Sicherheits- und Überwachungsanwendungen zum Einsatz.

Zeilenkameras
Zeilenkameras arbeiten mit einem Sensor, der aus nur 1, 2 oder 3 Pixelzeilen aufgebaut ist. Die Bilddaten werden Zeile für Zeile belichtet, und ebenso Zeile für Zeile wieder zu einem Bild zusammengesetzt und verarbeitet.
Zeilenkameras werden eingesetzt, wenn Produkte und Güter geprüft werden, die auf Förderbändern transportiert werden, und das mit teils sehr hoher Geschwindigkeit. Typische Branchen umfassen Druck, Sortierung und Verpackung, Lebensmittelindustrie sowie alle Arten von Oberflächeninspektion.

3D-Kameras
3D-Kameras hingegen nutzen fortschrittliche Sensortechnologien, um neben der zweidimensionalen Bildaufnahme auch Tiefeninformationen zu erfassen. Dies geschieht in der Regel mithilfe von Techniken wie Time-of-Flight (ToF), Stereo Vision oder strukturiertem Licht. Diese Kameras messen die räumliche Position von Objekten und erstellen ein präzises 3D-Modell der erfassten Szene oder des Objekts.
Einsatzbereiche für 3D-Kameras finden sich in der Robotik, Automatisierungstechnik, Logistik (zum Beispiel zur Volumenmessung oder Objekterkennung), der Medizintechnik (etwa für chirurgische Navigation) sowie in der Unterhaltungsindustrie für Animationen und virtuelle Realität.
Entscheidung Nr. 2: Monochrom- oder Farbkamera?
Eine relative einfache Entscheidung, die sich daraus ableitet, was Sie mit Ihrer Anwendung sehen möchten. Brauchen Sie für die Auswertung der Ergebnisse ein Farbbild oder reicht auch Schwarz/Weiß? Ist Farbe nicht unbedingt nötig, empfiehlt sich eine Monochrom-(sprich S/W)-Kamera. Sie ist empfindlicher und liefert dadurch detailreichere Aufnahmen. Für manche Anwendungen kann auch eine Kombination von S/W- und Farbkameras sinnvoll sein: Viele Verkehrsanwendungen beispielsweise kombinieren beide Kameratypen, um die juristische Belastbarkeit der Aufnahmen zur Beweisführung je nach nationaler Gesetzeslage zu gewährleisten.

Entscheidung Nr. 3: Sensortypen, Shutter Techniken, Bildraten
In diesem Schritt geht es um die Wahl eines passenden Sensors - CCD oder CMOS - und um die Wahl der Verschlusstechnik - Global oder Rolling Shutter. Die nächste Überlegung gilt der Bildrate, also der Anzahl der Bilder, die eine Kamera pro Sekunde liefern muss, um ihre Aufgabe lückenlos zu erfüllen.

CCD oder CMOS?
Der fundamentale Unterschied zwischen den beiden Sensortechnologien liegt in ihrem technischen Aufbau.
CMOS-Sensoren sind schnell, flexibel und dominieren den Kamera-Massenmarkt, z. B. in Spiegelreflexkameras. Sie integrieren die Elektronik direkt auf der Sensorfläche, wodurch Bilddaten besonders schnell ausgelesen werden können.
CCD-Sensoren punkten mit höchster Lichtempfindlichkeit und hervorragender Bildqualität – ideal für Anwendungen mit schwachem Licht wie die Astronomie. Allerdings stoßen sie bei schnellen Anwendungen an ihre Grenzen.
Mehr über CCD vs. CMOS erfahren!
Verschlusstechniken: Global oder Rolling Shutter
Hier muss eine einfache, aber ausgesprochen wichtige Anforderung erfüllt sein: Die Verschlusstechnik muss zur Anwendung passen. Der Verschluss schützt den Sensor in der Kamera vor einfallendem Licht. Er öffnet exakt zum Zeitpunkt der Belichtung. Die gewählte Belichtungszeit sorgt dafür, dass genau die richtige „Dosis“ Licht eindringen kann. Sie steuert, wie lange genau der Verschluss dafür geöffnet bleiben muss. Der Unterschied zwischen einem Global Shutter und einem Rolling Shutter liegt in der Art und Weise, wie sie diese Belichtung verarbeiten.
Zum Shutter White Paper
Bildrate
Der Begriff „Bildrate“ wird synonym mit „Bildwiederholrate“, „Bilder pro Sekunde“ (fps, frames per second) oder „Zeilenrate“ (bei Zeilenkamera-Anwendungen) verwendet. Die Bildrate gibt an, wie viele Bilder ein Sensor pro Sekunde aufnehmen und verarbeiten kann.
Je höher die Bildrate, desto schneller arbeitet der Sensor. Ein schnellerer Sensor ermöglicht mehr Bilder pro Sekunde, was wiederum das Datenvolumen erhöht.
Bei Flächenkameras variiert die Datenmenge je nach verwendeter Schnittstelle und der Bildrate erheblich – von niedrigen 10 fps bis hin zu schnellen 340 fps. Welche Bildrate notwendig oder möglich ist, hängt von den Anforderungen des jeweiligen Bildverarbeitungssystems ab.
Entscheidung Nr. 4: Auflösung, Sensor und Pixel
Bei der Wahl der der richtigen Kamera spielen Auflösung, Sensorgröße und Pixelbeschaffenheit eine zentrale Rolle. Diese Faktoren haben einen direkten Einfluss auf die Bildqualität, die Lichtempfindlichkeit und wie gut die Kamera Ihre spezifischen Anforderungen erfüllen kann.

Auflösung
Die Auflösung einer Kamera wird in den Spezifikationen häufig mit einer Angabe wie „2048 x 1088“ beschrieben. Diese Zahlen stehen für die Anzahl der Pixel – in diesem Fall 2048 horizontale und 1088 vertikale Pixel. Multipliziert ergibt dies eine Gesamtauflösung von 2.228.224 Pixel oder 2,2 Megapixel (Millionen Pixel, kurz „MP“).
Um herauszufinden, welche Auflösung Ihre Anwendung erfordert, hilft eine einfache Formel:
Auflösung = Objektgröße / Größe des zu prüfenden Details
Ein Beispiel: Möchten Sie die Augenfarbe einer Person erfassen, die etwa 2 m groß ist, und dabei ein Detail von 1 mm abbilden, lautet die Berechnung:
Auflösung = Körpergröße/Augen-Detail = 2 m/1 mm = 2.000 pxl in x and y = 4 MP
In diesem Fall benötigen Sie eine Kamera mit mindestens 4 Megapixel, um das gewünschte Detail klar darzustellen.
Sensor und Pixelgröße
Fakt #1:
Große Sensor- und Pixelflächen können mehr Licht aufnehmen. Das Licht ist das Signal, das der Sensor in Bilddaten umwandelt. So weit, so einfach. Jetzt wird’s spannend: Je größer die Sensoroberfläche ist, desto besser ist das Signal-Rausch-Verhältnis (SNR – Signal-to-Noise-Ratio), insbesondere für Pixel mit einer Größe von 3,5 µm oder mehr. Ein höheres SNR bedeutet gleichzeitig bessere Bildqualität. Ein SNR von 42 dB gilt als solides Ergebnis.
Fakt #2:
Ein großer Sensor bietet mehr Platz für Pixel, was gleichzeitig eine höhere Auflösung bedeutet. Der echte Vorteil dabei ist, dass die einzelnen Pixel immer noch groß genug sind für ein gutes SNR – im Gegensatz zu kleineren Sensoren, bei denen sich die kleinere Oberfläche auch auf kleinere Pixel beschränken muss.
Fakt #3:
Selbst große Sensoren mit einer hohen Pixelanzahl bringen nicht viel ohne das passende Objektiv (erfahren Sie hier, wie Sie das richtige Objektiv auswählen). Sie können ihr volles Potenzial nur ausschöpfen, wenn auch das Objektiv, mit dem sie kombiniert werden, diese hohe Auflösung auch tatsächlich auflösen kann.
Fakt #4:
Große Sensoren sind immer auch kostspieliger, weil mehr Fläche gleichzeitig auch mehr Silizium enthält.
Entscheidung Nr. 5: Schnittstellen und Gehäusegrößen
Die Wahl der passenden Schnittstelle und Gehäusegröße spielt eine zentrale Rolle bei der Integration der Kamera in Ihr Bildverarbeitungssystem. Diese beiden Faktoren beeinflussen nicht nur die technische Leistungsfähigkeit, sondern auch die Flexibilität und Kompatibilität der Gesamtlösung. Im Folgenden erfahren Sie, wie verschiedene Schnittstellentechnologien und Gehäusegrößen Ihre Anwendung optimal unterstützen können.

Schnittstelle
Die Schnittstelle ist sozusagen das Bindeglied zwischen Kamera und PC, das die Bilddaten von der Hardware (dem Kamerasensor) zur Software (den Bildverarbeitungskomponenten) überträgt. Die beste Schnittstelle für Ihre Anwendung zu wählen bedeutet, die optimale Balance zwischen Leistung, Kosten und Zuverlässigkeit zu finden, indem man eine Reihe von Faktoren gegeneinander abwägt.
Moderne Standards wie GigE Vision, USB3 Vision und CoaXPress gewährleisten die Kompatibilität mit standardkonformen Komponenten, während ältere Technologien wie FireWire und USB 2.0 für moderne Systeme weniger geeignet sind.
Zum Vergleich der Schnittstellen
Gehäuse
Unmittelbar verbunden mit der Wahl der Schnittstelle ist auch die Größe des Kameragehäuses. Sie spielt eine Rolle, wenn es um die Integration der Kamera in das Bildverarbeitungssystem geht. In Anwendungen, in denen mehrere Kameras nebeneinander angeordnet sind, um die gesamte Breite einer Materialbahn erfassen zu können (sogenannte Multikamera-Setups), zählt jeder Millimeter.
Die Modellpalette von Basler Kameras reicht von kleinen Gehäusegrößen von 29 mm x 29 mm der ace 2 und dart Modelle bis hin zu den größeren Abmessungen bei Kameras mit großen Sensoren wie die der boost Serie.
Entscheidung Nr. 6: Nützliche Kamerafeatures
Kameras sind vielfach schon werkseitig vorbereitet, ihre Anwender bei verschiedenen Aufgaben bestmöglich zu unterstützen. So sind alle unsere Kameras werkseitig mit einem Set hilfreicher Features ausgestattet, die helfen die Bildqualität zu verbessern, Bilddaten effektiver zu analysieren und Prozesse mit höchster Präzision zu steuern. Unsere Feature Check List bietet einen umfassenden Überblick über sämtliche Features aller unserer Kameramodelle.
Wenn Sie ein Bildverarbeitungssystem konzipieren, kommen Sie vermutlich mit diesen drei Features in Berührung:
AOI (Area of Interest)
Mithilfe des AOI-Features können Sie individuelle Bildausschnitte innerhalb einer Aufnahme, oder sogar mehrere Ausschnitte gleichzeitig, auswählen. Der Vorteil liegt darin, dass so nur die Ausschnitte, die wirklich für die Auswertung eines Bildes relevant sind, verarbeitet werden. Das beschleunigt das Auslesen der Bilddaten.
Autofeatures
Unsere Kameras verfügen über eine Reihe sogenannter Autofeatures wie zum Beispiel automatische Belichtungsanpassung oder automatischer Gain. Indem sich die Belichtungszeit und die Gain-Parameter automatisch den sich ändernden Umgebungsbedingungen anpassen, bleiben die Aufnahmen dank der Autofeatures konstant hell.
Sequencer
Den Sequencer nutzt man, um bestimmte Bildabfolgen auslesen zu können. Sie können damit zum Beispiel verschiedene AOIs programmieren, die mithilfe des Sequencers automatisch Sequenz für Sequenz ausgelesen werden.
Wie kann man moderne CMOS-Kameras vergleichen?
Es gibt für nahezu jedes Sensormodell eine beachtliche Anzahl an verschiedenen Kameras von unterschiedlichen Herstellern. Trotz gleichem Sensor, sind die Kameras nicht identisch. Welche Aspekte sind im Vergleich der Kameras wichtig?

EMVA-Daten sind die Pflicht
Die Auswahl der passenden Kamera für eine Anwendung ist eine zentrale Frage, die auch die European Machine Vision Association (EMVA) beschäftigt hat. Das Ergebnis: der EMVA 1288 Standard. Dieser definiert Methoden zur Ermittlung von Daten, die Bildqualität und Empfindlichkeit einer Kamera oder eines Sensors charakterisieren.
Der Vergleich von EMVA-Daten ist das Pflichtprogramm bei der Kamerawahl, da sie Aufschluss darüber geben, wie leistungsfähig und geeignet eine Kamera ist.
Allerdings decken EMVA-Daten nicht alle potenziellen Probleme ab, etwa Bildartefakte wie die „Shutter Line“ oder zeitlich veränderliche Störungen wie Defekt- oder blinkende Pixel. Solche Fehler fallen dem menschlichen Auge oft sofort auf, bleiben aber in den Werten unberücksichtigt.
Ein gründlicher und applikationsnaher Test einer Musterkamera ist daher unerlässlich. Dabei ist es hilfreich, sich auf einen verlässlichen Standard zu stützen, den oft nur größere Markenhersteller bieten. Das spart Testzeit und vereinfacht die Optimierung der Anwendung.
Bonus: Firmware-Funktionen und hohe Datenübertragungsstabilität
Völlig unterschiedlich können sich Kameras mit gleichem Sensor auch verhalten, weil sich Firmware und Software der Kameras unterscheiden. Zum einen ist hier die Konformität mit Standards, wie etwa GenICam wichtig, aber auch Kompatibilität mit den Interfacestandards wie GigE Vision und USB3 Vision. Diese Standards regeln und definieren die Kommunikationswege und Schnittstellen der Kamera und ermöglichen bei der Integration Aufwandsersparnisse und verlässliche Qualität in der Datenübertragung.
Aber auch bei der Leistungsfähigkeit der Firmware und der dazugehörigen Software kann es in mehrerlei Hinsicht Unterschiede geben. Die erste betrifft die Arbeit bei der Integration der Kamera: eine ausgereifte Software- und Treiberumgebung für die Ansteuerung der Kameras und eine etablierte Programmierumgebung (inkl. Kompatibilitäten mit verschiedenen Betriebssystem oder Programmiersprachen) kann nicht jeder Kamerahersteller bieten. Sie sind aber ein Muss für jedes größere Design-In.
Weitere Unterschiede können sich bei der Datenstabilität ergeben. Sieht z. B. die Kamera-Firmware einen Frame Buffer vor, steigert dies die Datenstabilität gerade bei höheren Bandbreiten / Frameraten enorm.
Nicht zuletzt sind es standardisierte oder proprietäre Features der Kamera, die die Performance des Vision Systems steigern können, manche holen aus ein und demselben Sensor ein deutlich besseres Ergebnis heraus.
Wie starte ich? Wie geht es jetzt weiter?
Die Wahl der richtigen Kamera ist entscheidend für die Leistungsfähigkeit Ihres Bildverarbeitungssystems. Unsere Tools helfen Ihnen, die richtigen Komponenten für Ihr Bildverarbeitungssystem oder Ihre Anwendung zu finden. Erkunden Sie unser Portfolio und finden Sie die Kamera, die perfekt zu Ihren Anforderungen passt.